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Vorlesewettbewerb: Auch Nichtsieger sind Gewinner!
In der Stadtbibliothek Wiesloch warten sechzehn Teilnehmer auf ihren großen Auftritt. In der fünfköpfigen Jury sitzen neben Literaturkennern, einem Rektor auch zwei ehemalige Gewinnerinnen, die es zu ihrer Zeit bis in den Bundesentscheid geschafft hatten. Jule, die von ihrer Deutschlehrerin wird, ist aufgeregt, gleich ist sie mit dem Lesen an der Reihe. klar: wie bei jedem Wettbewerb kommt es auch hier auf die Performance an. Nur sitzen die Jugendlichen hier gleich allein auf der Bühne – da muss dann alles stimmen. Der Druck ist groß. Dann ist Jule dran, aufgeregt, Lampenfieber. Kurz nach Lesebeginn, man merkt es, legt sich aber die Nervosität. Sie liest fehlerfrei, baut Pausen ein, betont bewusst und fängt die Stimmung ihrer Textstelle gut ein.
Jule Tamm hatte Ende letzten Jahres den schulinternen Wettbewerb gewonnen und ist beste Vorleserin der Theodor-Heuss-Realschule Hockenheim. Nun war es beim schulartübergreifenden Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels in die nächste Runde gegangen, zum Kreisentscheid in der Stadtbibliothek Wiesloch.
Thomas Michael und Claudia Kellner von der Stadtbibliothek moderieren durch die beiden Leserunden. In der ersten Runde lesen die Teilnehmer eine selbstgewählte, geübte Textstelle vor, in der zweite Runde steht das Lesen eines Fremdtextes an – jeweils immer drei Minuten Lesezeit. Vor dem Lesen wird der Buchtitel mit Autor oder Autorin genannt und einige Jugendliche stellen auch kurz den Handlungsstrang vor. Dabei geht die Lektürenauswahl der Jugendlichen querbeet durch alle Genres: Tintenherz und andere Fantasyromane, auch Blutrünstiges, Kampfszenen, Drachengeschichten aus „Dragons – Drachenzähmen leicht gemacht“, Cornelia Funkes „Herr der Diebe“ – schlicht: Klassiker der deutschen Jugendbuchkultur. Auch Jule Tamm entscheidet sich für einen mittlerweile Klassiker: Harry Potter.
Am Ende gewinnt Jule nicht. Dass sie nicht in die nächste Runde kommt, liegt möglicherweise an der Auswahl der Textstelle, denn einige andere Leserinnen und Leser punkten mit der besonderen Inszenierung und gekonnten Betonung bei wörtlicher Rede oder witzigen Textstellen. So zumindest sieht es Deutschlehrerin Sarah Beil-Wiesbeck. „Alle waren gut und die Wertung waren alle nah beieinander. Bei einem solchen Wettbewerb kommt es auf Nuancen an“, sagt sie, ist aber sichtlich stolz auf ihrer Schülerin. Alle Teilnehmenden bekamen ein Buch mit Lesezeichen geschenkt, die Siegerin erhielt zwei Buchpreise und ist nun weiter in der Bezirksrunde. Auch die fünfzehn Jugendlichen, die es bei solchen Ausscheidungsrunden gibt und die nicht weiter sind, haben unterm Strich gewonnen.
Man liest oft von Siegern bei Schulwettbewerben, von Mathe-Assen oder IT-Profis – aber wieso sollte man bei Wettbewerben auch öfter über Nichtsieger berichten? Ganz einfach: weil auch ein Nichtweiterkommen oder ein Nichtsiegen trotzdem ein großer Lernerfolg ist! Jule würde immer wieder am Lesewettbewerb teilnehmen, sie war froh, sich an der THRS neben so vielen guten Lesern durchgesetzt zu haben und dadurch war sie stolz und hochmotiviert für den Kreisentscheid Rhein-Neckar. Dass sie nicht gewonnen hat, ist zwar schade, aber: „Ich nehme die Teilnahme als Erfahrung für mein Leben mit.“ Und diese Erfahrungen nimmt sie mit. Denn motiviert und vorbereitet professionell an eine Sache rangehen, sich mit der eigenen Aufregung und Lampenfieber auseinandersetzen, sich im Wettbewerb mit anderen messen und am Ende auch mit einer Niederlage professionell umgehen können, sind Erfahrungen und Fähigkeiten, die Jule sogar schon auf ihrem Schulweg weiterbringen werden. Und es sind Erfahrungen, über die man auch öfter berichten darf, denn auch wenn am Ende kein Preis oder Pokal zu vergeben ist, so ist es ein wertvoller Erfolg – ein Lernerfolg.